Wie ein mies recherchierter Artikel Schwangere kirre machen kann

Spiegel Online bringt einen Artikel, in dem die WHO sich über die Unsitte der „Geburtsbeschleunigung“ beklagt und unter anderem 56 Empfehlungen gibt, für ein „Good medical practice“ unter der Geburt.

Was mich aufregt, ist der unreflektierte Stil, in dem der Artikel geschrieben wird.

Mit keinem Wort wird erwähnt, dass der größte Teil der kritisierten Handlungen in den meisten deutschen Kliniken schon länger nicht angewendet wird. So ein kleiner Satz würde durchaus zu einer Entspannung der Situation beitragen, so hat jede Schwangere in Deutschland genau diesen Unsinn eventuell beim Gang in die Klinik im Hinterkopf!

Um Beispiele zu nennen, welche von der WHO erwähnt werden, in Deutschland mit hoher Sicherheit keine oder sehr selten Anwendung finden oder juristisch als Empfehlung höchst fragwürdig sind:

  • Klinische Pelvimetrie vor Geburt, bedeutet Ausmessung des Beckens/Geburtskanals vor Geburt,
  • Intimrasur (sehr witzig, in den Großstädten sind 90% der Frauen bereits rasiert),
  • Einläufe als Routine vor Entbindung,
  • CTG bei Aufnahme oder unter der Geburt (freut den Juristen, wenn es um eine Beurteilung eines Geburtsschadens geht, wenn dann kein CTG vorhanden war…),
  • Routinemäßige vaginale Desinfektion??
  • Routinemäßige aktive Eröffnung der Fruchtblase (in Hessen 2016 bei 4,2% aller Entbindenden)
  • Routinemäßige Gabe von Spasmolytika (Entkrampfungsmittel) zur Geburtsförderung,
  • Routinemäßige Dammschnitte, (In Hessen 2016 bei 19.6% aller Entbindenden)
  • Routinemäßig Druck von oben auf die Gebärmutter (um das Pressen zu unterstützen),
  • Routinemäßige Gabe von Antibiotika unter der Geburt, mit oder ohne Dammschnitt.

Falls sich nun ein interessiertes Paar diese Guidelines angeschaut hätte wäre es  durch den verallgemeinernden Ton des Spiegel Online sicher verunsichert, weil dieser explizit nicht zu der Situation in Deutschland Stellung bezieht. Das ist für mich einfach schlechter Journalismus.