Rückgang von Ärzten

Wenn immer noch alle glauben, Ärzte, würden ihre Sprechzeiten lieber zu Gunsten von Privatpatienten verändern, damit für Kassenpatienten reduzieren, sollte vielleicht einmal in das Hamburger Abendblatt schauen.

Die offizielle Statistik sagt aus, dass innerhalb von vier Jahren 25 % weniger Ärzte der Allgemeinmedizin und Kinderärzte in den Praxen Sprechzeiten anbieten, was für einzelne Stadtteile das komplette Aus für einen Kinderarzt bedeutet.

Nicht etwa, dass diese Ärzte nun Privatpatienten behandeln würden, nein, diese Ärzte gibt es einfach nicht mehr. Ähnliche Daten gibt es für Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Die Reaktion der Politik? Außer Sprechblasen keine. Dafür wird das Honorarvolumen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen um bis zu 9 % reduziert. Was sicherlich ein Anreiz für Ärzte darstellen wird, in Zukunft sich sofort niederzulassen, da wir ja keine Inflation und sonstige Kostensteigerungen haben.

Auf ein Neues – Ärztemangel

Der Präsident der Bundesärztekammer Montgomery hat in diesen Tagen die neue Ärztestatistik 2018 vorgestellt. Das Fazit im Schnelldurchgang: Der Ärztebedarf wird durch den Demographiewandel noch steigen und der Bedarf wird trotz der leicht steigenden Ärztezahlen nicht gedeckt werden.

Fazit in einer genaueren Analyse:

  • Es stimmt, dass die Zahl der Ärztinnen und Ärzte um 1.9% im Vergleich 2017/2018 gestiegen sind.
  • Es stimmt aber auch, dass in den Praxen diese Steigerung komplett bei angestellten Ärztinnen und Ärzten erfolgt, die freiberuflichen Ärzte nehmen stetig ab.
  • Von diesen Ärztinnnen und Ärzten ist mittlerweile ein Großteil in Teilzeit angestellt, bedeutet, die pure Steigerung der Zahl bedeutet schlussendlich leider keine Steigerung der Produktivität und der Kontaktzeiten mit den Patienten.
  • Die Schlussfolgerung von Montgomery ist damit nur leider zum Teil korrekt. Es werden sicher mehr Ärzte in Zukunft nötig sein, nur ist die Versorgung einer immer größerer Zersplitterung der Arbeitszeit ausgesetzt. Dieses Problem ist kaum zu lösen, da z.B. in der Frauenheilkunde 80% der Ärzte weiblich sind und natürlich andere Präferenzen setzen müssen.
  • Auch das Problem der Unterversorgung auf dem „Land“ wird sich mit mehr „Personal“ nicht lösen lassen. Wenn es in Orten kaum noch soziale Einrichtungen, Kneipen oder Einkaufseinrichtungen, wie soll eine Familie dort hinziehen und die Gegend lebenswert finden? Dass soll einer Arztfamilie zugemutet werden? Wer von den Patienten würde das mitmachen? Fragen, die mit mehr Studenten nicht beantwortet werden können.

Europäische Freizügigkeit

Kennen Sie? Nicht?

Na klar, kennen Sie das. Wir reisen über europäische Grenzen, können uns unter bestimmten Voraussetzungen in jedem EU Land länger aufhalten oder auch arbeiten.

So recht Herr Bundesgesundheitsminister Spahn mit seinem Ärger über die Wanderung von Ärzten innerhalb der EU haben mag, (gleiches gilt auch für anderes Fachpersonal) das EU Gesetz scheint er nicht zu kennen.

Wenn also polnische Arbeitskräfte in Deutschland arbeiten, deutsche Fachleute in anderen europäischen Staaten, dann deshalb, weil die Arbeitsbedingungen in dem jeweiligen Land besser erscheinen, nicht weil die Wanderung Spaß macht!

Spahn hat also nicht begriffen, dass die lokalen Arbeitsbedingungen Ursache der Wanderung sind. Was spräche also gegen eine Verbesserung der Situation im jeweiligen Herkunftsland?

Familienfreundliche Arbeitssituation

Was wünscht sich eine Familie für sein persönliches Umfeld? Es soll lebenswert sein. Dazu gehören:

  • Lokale Versorger vor Ort, wie Behörden und Schulen, Kindergärten oder Krippen.
  • Notwendige ärztliche Versorgung.
  • Attraktives Kulturangebot, aber auch Kneipen oder Restaurants.
  • Infrastruktur wie Busse oder Bahnen, aber auch schnelles Internet oder Mobilfunk.
  • Versorger wie Einzelhandel oder Supermärkte mit einer gewissen Auswahl.

In der Medizin sind 70% der Studierenden Frauen, in der Frauenheilkunde 80%. Die Allermeisten von Ihnen möchten eine Familie, mit anderen Worten Partner und Kinder. Also Menschen wie alle anderen auch. Politisch ist es nun gewollt, dass diese Familien, nur weil der Beruf Arzt ist, „auf das Land“ geschickt werden sollen, da dort ein Mangel an Ärzten herrscht? Viele ziehen von dort weg, es gibt Orte ohne Kneipen, Restaurants, Supermärkten oder einem größeren Einzelhandelsgeschäft. Aber ein Arzt muss dorthin verpflanzt werden? Einer kompletten Berufssparte kann man zumuten, dass diese sich die das Arbeits- und Lebensumfeld nicht mehr aussuchen darf? Selbst die hessische Landesregierung hat es immer noch nicht geschnallt und will Zentren fördern. Das bedeutet, die Fläche wird weiter ausbluten!

Hausarztmangel ist kein deutsches Problem

Wir sind gerade in der nördlichen Bretagne im Urlaub.

Bei der Durchfahrt durch ein kleines, nettes Örtchen namens Matignon fällt am Ortseingang sofort ein Riesenplakat auf, mit dem dringend zwei Hausärzte gesucht werden. Praxisräume wären vorhanden.

Im dazugehörigen Artikel einer regionalen Zeitung liest man dann, dass demnächst keine Hausarzt mehr in der Stadt arbeiten wird. Der Vermieter der vorherigen Ferienwohnung war Zahnarzt, auch er hatte Schwierigkeiten, für die Praxis eine Neubesetzung zu bekommen, seine Tätigkeit üben jetzt drei Personen aus.

Von Fachärzten reden die Bewohner garnicht, die gibt es bereits seit Längerem nur in Grossstädten.

Die Gesundheitswelt erscheint auch in Frankreich ins Wanken zu geraten.

Wir brauchen Landärzte?

Wie wir alle in den Medien verfolgen können, sind Landärzte Mangelware. Dafür gibt es diverse Gründe, seien es finanzielle, die eventuell schlechtere Wohnqualität, fehlende Versorger vor Ort oder der 24/7 Arbeitstag in den Gemeinden.

Alle Patienten sollten aufhorchen, es gibt noch einen Faktor, den wohl die Meisten von uns nicht auf dem Schirm haben – Ärzte können bestraft werden, wenn diese zuviel arbeiten! JA, zuviel!

Bei Landärzten ist das dann häufig ein Hausbesuch zuviel.  Der Spiegel hat darüber einen schönen Artikel geschrieben.

Glauben Sie Ihrer Kasse?

Sie kennen die Diskussion über eine wohnortnahe Versorgung? Sie kennen die Mitteilungen in der Presse und den sonstigen sozialen Medien über die schlechter werdende medizinische Versorgung in der Fläche? Sie wissen dadurch natürlich auch, dass nur die Geldgeier – genannt Ärzte – die Verursacher dieser Misere sind?

Ich hoffe nicht, dass Sie dann durch diesen schönen Artikel in der Ärzte-Zeitung verunsichert werden. Die AOK befürwortet eine Ausdünnung der Zahl der Krankenhäuser, ein Gesundheitsökonom befürwortet die Schaffung von mehr „Portalpraxen“, nichts anderes ist in Summe eine weitere Konzentration von medizinischen Leistung auf weniger Standorte. Ganz klar also eine Ausdünnung der Flächenversorgung!

So sieht die gewünschte Realität aus, auch wenn gerne in den Medien von völlig anderen Vorstellungen geredet oder vorgejammert wird!