Achtung, es wird etwas länger……
Im Rahmen der – mittlerweile festgefahrenen – Koalitionsgespräche taucht etwas aus der Verhandlungsmottenkiste wieder auf, welches für den Gesundheitsexperten der SPD, Karl Lauterbach, ein Lieblingsthema darstellt. Eine einheitliche Versicherung für alle Bürger in Deutschland, keine Trennung mehr in Kasse und Privat. Das Kind hat viele Namen, momentan nennt es sich Bürgerversicherung. Klingt ja richtig gut und so volksnah. Was ist denn dran an den Behauptungen über das Wunderkind der Rettung der Krankenversorgung in Deutschland?
Behauptung Nummer 1: Bei einer einheitlichen Versicherung würde die Ungleichbehandlung der Versicherten wegfallen. Stimmt denn die Behauptung der ungleichen Behandlung? In der Terminvergabe mag das noch angehen, speziell in der Wartezeit auf einen Termin, aber in der Behandlung selbst? Alle Patienten bekommen in einer Praxis die gleichen Leistungsangebote, im Privatsektor zahlen die Versicherer (meistens), im Kassensektor gibt es nun einmal Beschränkungen und daher privat zu zahlende Leistungen (oder Patient) erhält die Leistung nicht. Das ist keine Ungleichheit im Sinne des Versicherungsstatus, sondern gewollt im Sinne des Gesetzgebers! Dieser verpflichtet alle Ärzte auf eine notwendige, wirtschaftliche und ausreichende Behandlung, legt den Ärzten Obergrenzen (Budgets) für Behandlungen und Patientenzahlen auf (über die KV) und führt damit Limitierungen ein. Wenn der Arzt Leistungen in der Form wie bei einer Privatversicherung erstattet bekäme, würde dieses Angebot auch bei allen Kassenversicherten durchgeführt und nicht mehr selbst bezahlt. Das will aber der Gesetzgeber nicht, da es zusätzlich Geld kosten würde!
Behauptung Nummer 2: Die Mehrheit der Bürger wären für eine Bürgerversicherung. Natürlich sind sie das, da 90% aller Versicherten in einer Kasse und nicht in einer Privatversicherung gebunden sind. Die Politik macht diesen 90% nun die „falsche Hoffnung“, dass durch eine Bürgerversicherung die Beitragszahlungen sinken und die Leistungen und die Erreichbarkeit der Ärzte steigen. Natürlich glattweg eine Falschdarstellung. Immer noch werden 90% der Termine durch Kassenversicherte in Anspruch genommen. Der größte Teil der privat Versicherten zahlt geringere Beiträge, als die freiwillig Versicherten der Kassen. Warum? Interessanterweise sind 90% der privat Versicherten Beamte oder Beihilfeberechtigte. Prof. Lauterbach hat es selber erwähnt. Die meistens Beihilfeberechtigten, vulgo Beamte, kommen im Einkommen nicht über die Beitragsbessungsgrenze von 4.350€ im Monat, zahlen also später in der Bürgerversicherung dementsprechend geringere Beträge ein als die Meisten sich das heute so wünschen! Es wird also nicht überproportional mehr im Topf sein, aber mehr Anspruchsberechtigte.
Behauptung Nummer 3: Eine Vereinheitlichung der Gebührenordnung würde nicht zu einer Minderung der Einkommen der Ärzte führen. Völliger Nonsens! Wie Prof. Lauterbach selber ausführt, bekommen Ärzte im Rahmen der Behandlung eines Privatpatienten bis zum 5-fachen des Honorars im Vergleich zum Kassenpatienten. Dieses aber nicht, weil die private Versicherung so Spitze zahlt, sondern weil die Kasse so mies zahlt (Krebsvorsorgeuntersuchung der Frau z.B. 1x/Jahr unter 19€ in Hessen). Wie jeder/jede erfahrene Wähler-/in ganz klar folgern kann, sind Wahlkampfversprechen mit Sicherheit nicht dazu da, später eingehalten zu werden. Wenn das Honorar über die Kassen angeglichen werden sollte, kann es ja nur nach oben gehen, nach unten geht im Kassensektor kaum. Das wird mit Sicherheit keine Krankenkasse mitmachen, allein schon weil keine Mittel vorhanden sind! Mit anderen Worten: Weil die Politik alle in eine Bürgerversicherung haben möchte, werden mit Sicherheit in Zukunft die Beiträge steigen müssen, außer es erfolgt keine Anpassung der Honorare von Kassenpatienten nach oben. Dieser Umstieg wird dann von allen Kassenpatienten bezahlt werden müssen.
Behauptung Nummer 4: Die Ärzte erhielten dann für die gleiche Leistung das gleiche Geld. Vollkommen richtig! Nur fehlt ein ganz wichtiger Halbsatz. Die Leistungen für die Kassenpatienten, jetzt Bürgerversicherte, bleiben gleich. Es wird keine Leistungsausweitung oder Neubewertung geben. Es bleibt also immer noch dabei, dass dann Bürgerversicherte wünschenswerte Leistungen „erkaufen“ müssen.
Behauptung Nummer 5: Mit der Versicherung würde die soziale Ungerechtigkeit im Bereich der Krankenversicherung abgeschafft. Völlig unsinnig, wenn man mal in die Nachbarländer schaut. In den Ländern, in denen eine Bürgerversicherung existiert, exisitert auch ein Markt für Zusatzversicherungen. Mit diesen lassen sich dann Zusatzleistungen und „Verbesserungen“ erkaufen. Das kostet Geld, welches natürlich nicht jeder gleichermaßen hat. Damit öffnet sich die Schere, zwischen finanzkräftigen Zahlern und Bürgern, welche sich das nicht leisten können.
Fazit: Warum das alles? Der Staat ist Pleite, die Beihilfe für seine privat Versicherten Beamten, Staatssekretäre und sonstige Mitarbeiter ein Milliardengrab. Davon möchte die Politik weg. Was keinem öffentlich gesagt wird, das „Fein-Tuning“ der Politik erfolgt durch die Staatssekretäre und verbeamtete Personen, die Politiker sind nur wandelnde Werbeplakate für diverse Aktionen. Kaum ein Nutznießer wird wohl an dem Ast sägen, welcher ihn momentan komfortabel versorgt. Allerdings sorgt die Politik bereits seit Jahren dafür, dass der Zulauf zu den „Privaten“ abnimmt und damit der Nachwuchs unter den Versicherten fehlt. Daher nimmt auch der Druck auf die Versicherer und deren aktuell Versicherten sukzessive zu, etwas zu ändern. Die teilweise erheblich steigenden Beiträge sind in der Zukunft kaum noch zu finanzieren. Die Kassenpatienten dürfen hier aber bitte nicht anfangen hämisch zu grinsen. Im Kassensektor besteht das gleiche Problem. Da man aber nicht fortwährend die Beiträge erhöhen kann, reduziert man einfach auf Seiten der Kassen die Leistungszusage. Wie, Sie haben das noch nicht bemerkt? Oder doch? Begrenzungen von Terminen, Leistungen oder Austausch von Medikamenten. Kennen Sie doch?